Umweltfreundliche Messen und Events gestalten – Ein Lösungsansatz
In diesem Blogbeitrag diskutiert Marcus Stadler, Umweltberater und seit 25 Jahren im Bereich Event und Messen tätig, die immer noch zögerliche Umsetzung nachhaltiger Ansätze in der Veranstaltungsbranche.
Jeder Krise wohnt auch etwas Positives inne, heißt es. Für die Covid19-Krise kann das bedeuten, dass man Zeit geschenkt bekommt, über Grundsätzliches nachzudenken. Für mich persönlich bedeutet das, bereits seit langen Jahren existierende Fragen nochmals neu stellen:
Warum geht es in der Event- und Messebranche mit der Nachhaltigkeit nicht vorwärts? Warum kommt hier eine ganze Industrie, die wie fast keine andere für Innovationen und flexibles Handeln steht, trotz steigendem Druck der Gesellschaft nicht in Bewegung? Warum werden keine alternativen Lösungen zum Beispiel zum hohen Energie- und Ressourcenverbrauch gefunden? Oder mal andersherum gefragt:
Woran liegt es, dass es ein Produkt (hier der nachhaltige Messeauftritt oder das nachhaltige Event), welches laut Pressemitteilungen und öffentlichen Bekenntnissen von Veranstaltern und Unternehmen eigentlich alle haben wollen, nicht ausreichend in das Produktportfolio der Zulieferer, Dienstleister und Agenturen schafft? Hört man gezielt bei den Anbietern nach, sind die häufigsten Antworten „zu teuer“ und „nicht wettbewerbsfähig“ – dicht gefolgt von „aktuell nicht möglich“ und „wird nicht nachgefragt“.
Das Missverständnis
Nüchtern betrachtet ist das aus Branchensicht alles Quatsch. Denn ein hoher Ressourcenverbrauch bedeutet erhöhte Kosten. So ist die bauliche Umsetzung eines Messestandes, die auf Neukauf von Werkstoffen und Neubau von kostenintensiven Gestaltungselementen mit anschließender Entsorgung setzt, teurer als nachhaltige Gestaltungslösungen, die mit umweltfreundlichem Mietmaterial hergestellt sind und mehrfach wiederverwendet werden können. Ebenso kann eine einfache, konventionelle Lösung, die hohe Energieverbräuche induziert, auch nicht „billiger“ sein, als eine moderne energieeffiziente, die viele Ressourcen schont. Das Problem ist, dass der Markt und seine Wertschöpfungsketten aktuell noch zu stark auf einmalige Nutzung mit anschließender Entsorgung ausgerichtet ist. Hier ist eine ehrliche Betrachtung wichtig. Denn die Frage ist immer, wer welche Kosten trägt.
Die Möglichkeiten
Aktuell abgeschlossene Mietverträge für Hallen oder Stände enthalten in der Regel nur pauschalisierte Kosten für Energieverbrauch und Entsorgung. Diese bieten somit nicht nur keinerlei Anreiz für eine Reduzierung, sondern erlauben auch keine Kontrolle. Lösung hierfür könnten genaue verbrauchsbasierte Abrechnungen sein. Damit kämen die Effizienzerträge durch nachhaltiges Wirtschaften auch messbar beim Auftraggeber an. Genauso wichtig wäre es, beim Design auf die gezielte Verwendung von Mietmaterialien und energieeffizienter Technik zu achten – welche übrigens überall in Deutschland ausreichend zur Verfügung stehen. Wer darüber hinaus sogar die Möglichkeit hat, seinen Auftritt auf mehrere Jahre wiederkehrend zu planen, kommt mit nachhaltiger Ausrichtung schnell in einen finanziell spürbaren Wettbewerbsvorteil. Wenn man in der Vorplanung bereits auf Nachhaltigkeit setzt, kann man die Effizienzkarte auf allen Ebenen spielen. Einzelmaßnahmen bringen dagegen der Umwelt und dem Geldbeutel nicht mehr viel.
Doch was ist mit der Aussage „aktuell nicht möglich“? Wer die diesjährige Euroshop in Düsseldorf, Leitmesse für Shopbuilding und Messeausstattung, zielgerichtet mit Blick auf Nachhaltigkeit besucht hat, war über die aktuellen Innovationen in Richtung Ressourcenschutz sicher positiv überrascht. Von umweltfreundlichem Ausgangsmaterialien, über Möglichkeiten zur Wiederverwendung bis hin zu Cradle-to-Cradle war alles dabei. Allerdings fast immer gut versteckt auf den Ständen, als Ergänzung zu den Standardprodukten. „Möglich“ ist hier also schon Vieles, und noch mehr ist in der Entwicklung. Aber es dämmert leider noch im Dornröschenschlaf.
Woran es hakt
Wieso also finden die nachhaltigen Lösungen keinen Einsatz? Die Antwort ist wohl so profan, dass ihr zu wenig Beachtung geschenkt wird. Der Kunde bestimmt das Produkt, in der Anfrage liegt die Lösung! Man kann jedes Event durch eine eigene Leitlinie ganz im Sinne des UN-Leitfadens für nachhaltige Events aufwerten. Hier wird definiert:
„A sustainable event is one designed, organized and implemented in a way that minimizes potential negative impacts and leaves a beneficial legacy for the host community and all involved“.
Dieser Idee gilt es auf allen Prozessebenen zuzuarbeiten. Von Kundenseite braucht es die klaren Vorgaben zur Nachhaltigkeit ganz am Anfang des Projekts. Damit nachhaltige Lösungen verstärkt nachgefragt und angeboten werden. Wer das zu Beginn der Planung mitdenkt, vermeidet am Ende Mehraufwand und Mehrkosten.
Der Lösungsansatz
Für das eigene Event oder den Messestand bedeutet das: Jeder Auftrag bekommt den Grundsatz, dass Angebote mit einer nachweislich nachhaltigen Lösung bevorzugt werden. Kundenfreundliche Lieferanten und Dienstleister erbringen die Erklärungen und Belege hierfür gerne. Bei anderen startet man damit vermutlich einen positiven Entwicklungsprozess. Alle Angebote werden nur in der Gesamtheit des Events von Planung, Durchführung, Entsorgung bis hin zum Energieverbrauch wirtschaftlich über die Laufzeiten miteinander verglichen.
Ganz wichtig: Jedes Projekt erfährt nach Veranstaltungsende eine abschließende Betrachtung, in der die nachhaltige Wirkung bis hin zum CO2 betrachtet und bewertet wird. Das ist expliziter Teil der angebotenen Leistung. Somit ergeben sich Lerneffekte für die Zukunft und gleichzeitig ein positiver Beitrag zum Image. Denn ein Umweltbericht lässt sich sehr gut dokumentieren, ist ein messbarer Erfolg und hilft dem Marketing des Veranstalters zur authentischen Außendarstellung – und Nachhaltigkeit lebt bekanntlich auch von Kommunikation. Verfügt der Veranstalter dann sogar noch über ein professionelles Umweltmanagement im Unternehmen, freuen sich auch deren Zertifizierer.
Warum also nicht einfach beharrlich nachfragen, sich Zusammenhänge erklären lassen, ehrlich vergleichen, abschließend kontrollieren und darüber reden? Denn so einfach geht’s! Einem modernen Unternehmen, ganz gleich welcher Größe, steht es gut zu Gesicht, neben seinen nachhaltig präsentierten Produkten oder Dienstleistungen auch in der Umsetzung von öffentlichen Auftritten auf Nachhaltigkeit zu setzen. Aussteller haben als Auftraggeber eine große Steuerungsmöglichkeit, die Arbeitsweisen der Messe-/Eventbranche zu ändern.
Für die einzelne Firma ist das nur ein vergleichsweise kleiner Schritt im eigenen Gesamtbetrieb. In der Gesamtbetrachtung von über 3 Millionen Events pro Jahr (in Deutschland) bedeuten viele kleine, einzelne Schritte jedoch einen riesigen, kollektiven und positiven ökologischen Fußabdruck.
ÜBER DEN AUTOR: Marcus Stadler arbeitet als Umweltberater (DIN ISO, EMAS) mit Schwerpunkt im Eventbusiness. In seinen 25 Jahren Branchenerfahrung leitete er unter anderem 15 Jahre den Bereich Eventarchitektur bei der satis&fy AG Deutschland, wo er auch den Bereich CSR-Management verantwortete. Schon lange beschäftigt er sich umfassend mit der Entwicklung nachhaltiger Event-Alternativen und umweltfreundlicher Arbeitsprozesse. Weitere Infos findest du unter www.scan.de